Entschlossen für Demokratie!

„Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem!“ Römer 12,21)

Wieder einmal war es für mich eine kurze Nacht. Dunkle Gedanken und die Sorge um unsere Demokratie verfolgten mich bis in meine Träume hinein. Vor kurzem wurde Donald Trump erneut zum US-Präsidenten gewählt. Das Etikett „Dealmaker“ ist in meinen Augen eine glatte Verharmlosung dieses menschenverachtenden Demagogen, der tatsächlich nah am Faschismus segelt und der alles andere als ein „lupenreiner Demokrat“ ist. Langsam aber stetig nähern sich die von einer selbstverliebten Plutokratie dominierten USA den Machtstrukturen der russischen Föderation. Und nun diese unsägliche Rede des US-Vizepräsidenten Vance auf der Münchener Sicherheitskonferenz. Einerseits ist die Trump-Administration gerade dabei, einen in der Tat durch die letzten Präsidentschaftswahlen gestützten Absolutismus herbeizuführen geprägt von dem Leitbild, der Präsident stehe über dem Gesetzt. Die eigentlich durch die US-Verfassung vorgegebene Gewaltenteilung, insbesondere die Unabhängigkeit der Justiz werden angegriffen. Indem Vance sich ungeniert in den deutschen Wahlkampf einmischt und Wahlkampfhilfe für die AFD und andere Extremisten leisten, dokumentiert er zugleich, wes Geisteskind er selbst und sein Boss in Washington ist.

Friedrich Merz macht den „Trump“, indem er die Wahnsinnstat von Aschaffenburg zum Anlass nimmt, eine drastische Verschärfung in der Migrations- und Asylpolitik zu fordern. Das bringt er vor mit einer Attitüde, die an seiner demokratischen Gesinnung zweifeln lassen: „Die Zeit der Kompromisse ist endgültig vorbei!“ sagt er. Demokratie lebt jedoch vom Kompromiss. Stattdessen lässt Merz mit Assistenz der AFD den deutschen Bundestag seinen 5-Punkte Plan beschließen, der eine drastische Verschärfung des Asylrechts fordert. Der Ukraine-Krieg, die Klimakrise oder die erst kürzlich überstandene Corona-Pandemie machen die Menschen zusätzlich mürbe – und manchmal aggressiv. Jetzt wäre es nötig, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken und mit Zuversicht die Potentiale unserer Gesellschaft zu wecken. Merz macht das Gegenteil, indem er polarisiert und ganze Bevölkerungsgruppen in Angst und Schrecken versetzt. Zudem sind seine Vorschläge rechtlich mindestens grenzwertig. Zuletzt ist es kein guter demokratischer Stil, von den politischen Konkurrenten apodiktisch die Unterwerfung unter die eigenen Positionen zu fordern und die Rechtsextremen indirekt als Bündnispartner willkommen zu heißen.

Die hitzigen Debatten des Bundestages bei seinen letzten Sitzungen vor der Wahl am 23. Februar hinterlassen einen faden Beigeschmack. Hierbei geht es weniger um die streitlustige Tonlage, die man angesichts des bevorstehenden Wahltermins wohl hinnehmen muss. Besorgniserregend ist, dass nicht nur die CDU, sondern auch FDP und abgeschwächt auch die SPD in Teilen AFD-Positionen einschließlich der entsprechenden Wortwahl übernahmen. Nach Aschaffenburg kam die Untat von München. Die Besorgnis vieler Menschen ist absolut nachvollziehbar. Dennoch: man kann Extremisten kaum wirksam bekämpfen, indem man sich ihnen annähert. Die Amokfahrt von München durch einen 23-jährigen Afghanen führt zu einer weiteren Verschärfung einer Debatte, die am Ende womöglich nur die Extremisten stärkt. Ein seriöses Sicherheitskonzept, dass allerdings auch rechtsextreme Straftaten mit einbeziehen müsste, wäre von Nöten. Eine Kooperation der demokratischen Parteien auf Augen ist mehr geboten denn je, Wahlkampf hin oder her. Auch angesichts der unsicheren globalen Lage durch die Annäherung der Trump-Administration an Putins Russland gewinnt dies noch einmal an Dringlichkeit.

Geschichtsvergessen!

Wenn sich Konservative um des Machterhalts willen mit Rechtsextremen zusammentun, geraten sie meistens unter die Räder. Das prominenteste Beispiel ist vielleicht das Geschehen Anfang 1933, als Adolf Hitler mit Hilfe nationalkonservativer Kreise Kanzler des Deutschen Reiches wurde. Leute wie der aus der Zentrumspartei kommende Franz von Papen sowie der Medienmogul und Vorsitzender der Deutschnationalen Volkspartei Alfred Hugenberg wollten sich Hitler „engagieren“. Ihre Strategie war es, sich der Massenbasis der NSDAP zu bedienen. Binnen weniger Wochen waren sie marginalisiert. Ein aktuelles Beispiel ist das bedauernswerte Schicksal der republikanischen Partei der USA. Konservative ließen sich auf den rechten Populisten Donald Trump ein. Mittlerweile ist der Rechtsextremismus bei den Republikanern beheimatet, wenn er nicht sogar prägend geworden ist. In Österreich hat die konservative ÖVP mehrfach mit der rechtsextremen FPÖ koaliert. Zeitweilig zeichnete sich ab, dass mit ÖVP-Stimmen der ausgewiesen rechtsextreme FPÖ-Vorsitzende Herbert Kickel zum Kanzler der Alpenrepublik gewählt würde. Konservative werten so rechtsextreme Populisten auf und stellen sich selbst ins Abseits. In weiteren europäischen Staaten wie den Niederlanden, Italien oder Frankreich deuten sich ähnliche Entwicklungen ab. Eine menschenfeindliche Migrationspolitik, die Leugnung des Klimawandels sowie ein gestörtes Verhältnis zur Pressefreiheit und zum Rechtsstaat sind die verbindenden Elemente der Rechtspopulisten von den USA bis Österreich. In Krisenzeiten stellen sie die Schuldfrage. Migranten werden zu Sündenböcken, deren Bekämpfung die wesentlichen Probleme lösen würde. Dabei sind die Krisen wie die Klimakrise, die Corona-Pandemie oder die Migrationskrise globaler Natur. Alleine mit nationalstaatlichen Mitteln kann man ihrer nicht Herr werden.

Krisenbewältigung – aber wie?

Wer kann bestreiten, dass die Rechtspopulisten und National-Extremisten die Zentrifugalkräfte in unserer Gesellschaft verstärken? Der politische Gegner wird zum Feind erklärt, der „ausgemerzt“ gehört. Mit einer menschenverachtenden, brutalen Rhetorik brandmarkt man die angeblich Schuldigen, angetrieben von einem nahezu sektiererischen Dualismus. Da gibt es nur schwarz und weiß, Gut und Böse. So löst man keine Probleme, sondern man wird selbst zum Problem, weil man die gesellschaftlichen Krisensymptome verschärft.

Das mag in den Ohren des einen oder der Anderen schroff klingen. Es ist aber nichts im Vergleich zu der Tonlage, die mitunter von Vertreterinnen und Vertretern der benannten politischen Richtung in den sozialen Netzwerken angeschlagen wird. Dass die Autoren derartiger Posts dann noch über mangelnde Meinungsfreiheit beklagen, ist ein Hohn! Alleine dies ist Grund genug auf Distanz zu politischen Formationen wie der AFD zu gehen. Indem man polarisiert und spaltet und Millionen von Menschen mit Migrationshintergrund zutiefst verunsichert, löst man keine Probleme.

Demgegenüber stehen Alltagserfahrungen, die beachtenswert sind. Es war etwa 14 Tage vor den Kommunal- und Europawahlen im Juni 24, als ich einigermaßen schockiert war. Die Region, in der ich lebe, war einst eine SPD-Hochburg. Nun musste ich erleben, dass etliche mir Menschen in meinem Umfeld Sympathien für die AFD äußerten. Mir bekannte Personen kandidierten gar auf AFD-Listen. Nun sind dies allesamt keine Menschen, die sich in der Vergangenheit als Rechtsextremisten hervorgetan hätten. Nazis sind es schon mal gar nicht. Es handelt sich überwiegend um ehemalige SPD-, CDU- oder sogar Grün-Wähler. Wie ist dies zu deuten?

Sosehr ich der Meinung bin, dass man keineswegs mit der AFD kooperieren sollte, so nötig ist das persönliche Gespräch. Dabei stellte sich für mich heraus, dass meine Gesprächspartner oft sympathische aber zutiefst frustrierte Menschen sind. Ihre Frustration über die Vernachlässigung des ländlichen Raums, die finanzielle Auszehrung der Kommunen oder die gerade in Rheinland-Pfalz immer besorgniserregende Ausdünnung der Krankenhauslandschaft kann ich gut nachvollziehen. Am nervenaufreibensten dürfte unter anderem für viele unternehmerisch Tätige die überbordende Bürokratie sein. Ich halte es für sinnvoll, immer wieder das persönliche Gespräch zu suchen, um Gräben zu überwinden und vielleicht doch an der einen oder anderen Stelle zu überzeugen. Bei diesen Gesprächen lege ich offen, dass ich selbst zu dieser „links-grünen“ Gruppe gehöre, die von der von ihnen favorisierten Partei derart angegangen wird. Wenn dann noch ein Gespräch möglich ist, lohnt es sich, den Dialog fortzusetzen.

Krisen bewältigt man erfolgreich, in dem man den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärkt. Wer dagegen in einen politischen Freund-Feind Dualismus verfällt und mit unterkomplexen Rezepten der Krisenbewältigung antritt, verschlimmert die Situation. In Krisensituationen kommt es zudem vor allem auf den Nahbereich, also die Nachbarschaften, Dorfgemeinschaften sowie den Zusammenhalt in den städtischen Quartieren an. Dies gilt es zu stärken.

Irgendwie Hoffnung auf eine andere Politik

Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine sprach man von einer Zeitenwende. Nun ist die geopolitische Lage seit den letzten Präsidentschaftswahlen in den USA noch düsterer und gefährlicher geworden. Die Ereignisse während der Münchener Sicherheitskonferenz und die bizarren Pläne der Trump-Administration für das eigene Land, den Nahen Osten oder den Ukraine-Konflikt dokumentieren dies. Manchmal hat man das Gefühl, dass wir Europäer uns nur noch aussuchen können, ob wir als Vasallen Russlands oder dieser neuen USA bestehen können. Nötig ist eine Politik, die diese veränderten Rahmenbedingungen in aller Nüchternheit wahrnimmt und politische Ziele entsprechend neu justiert.

  • Höchste Priorität haben massive Investitionen in unsere Verteidigungsfähigkeit. Die jetzige geopolitische Situation erfordert dies.
     
  • Daneben geht es darum, den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken. Investitionen in Infrastruktur, Bildung und Digitalisierung sind unumgänglich. Wir schieben einen jahrzehntelangen Investitionsstau vor uns her. Es wurde zwar deutlich mehr als in der Vergangenheit investiert. Dennoch reichen die Investitionen in die Infrastruktur noch nicht einmal aus, um die Substanz zu erhalten.
     
  • Mit dem Bürokratieabbau muss endlich ernst gemacht werden. Umfangreiche Berichts- und Dokumentationspflichten nehmen gerade der mittelständischen Wirtschaft die Luft und verursachen immense Kosten. Das trifft ebenso für die Landwirtschaft und etliche andere gesellschaftliche Bereiche zu. Vor allem verzögert Bürokratie staatliches wie auch privates Handeln. Dies passt immer weniger zu diesen Krisenzeiten!
     
  • Zweifellos muss sich auch in der Steuerpolitik etwas tun. Allerdings ist dies ein sehr komplexes Thema. Eine Senkung der Unternehmenssteuer wird unvermeidlich sein. Steuergeschenke allerdings an gut betuchte Bürger werden kaum der Schlüssel zu einer wirtschaftlichen Belebung darstellen. Schwächt der Staat mit dieser Großzügigkeit seine eigene Finanzkraft, werden die dringend benötigten öffentlichen Investitionen in die Verteidigung, die Infrastruktur oder die Bildung nicht im ausreichenden Maße erfolgen können. Zudem ist gerade in Krisensituationen kaum etwas wichtiger als der gesellschaftliche Zusammenhalt. Eine Wirtschafts- und Steuerpolitik, die die sozialen Gegensätze weiter verschärft, ist politisch wie auch ökonomisch kontraproduktiv.
     
  • Eines der dringendsten sozialen Probleme ist der Mangel an Wohnraum und insbesondere der Mangel an Sozialwohnungen. Auch hier sind öffentliche Investitionen dringend erforderlich.
     
  • Was die Menschen in meinem Umfeld mit am stärksten umtreibt, ist die Krise unseres Gesundheitssystems. Schon seit längerem findet ein regelrechter Kahlschlag in der Kliniklandschaft vor allem im nördlichen Rheinland-Pfalz statt. Dies hat sich nach dem Rückzug des DRK aus dem Betreiben von Krankenhäusern in unserem Bundesland noch einmal erheblich verschärft. Am Beispiel der Gesundheitsversorgung lässt sich deutlich ablesen, dass eine Vermischung von öffentlicher und privatwirtschaftlicher Verantwortung die Allgemeinheit teuer zu stehen kommt und letztlich zu schlechteren Ergebnissen führt.
     
  • Mittel- und langfristig ist die Klimakrise die größte Herausforderung, vor der wir stehen. Parteien, die dies leugnen, Klimaziele abschwächen oder gar wieder verstärkt auf fossile Energieträger setzen wollen, betrachte ich mit großer Skepsis.

Alleine diese, sicherlich unvollständige Liste macht deutlich, dass ich mich bei keiner politischen Formation wiederfinden kann. Gewiss zeichnet sich für mich eine Tendenz bei meiner Wahlentscheidung ab. Aber die Bauchschmerzen bleiben. Vielleicht wird es gerade eine Koalitionsregierung sein, die meiner Prioritätensetzung nahekommt. Hoffnung darf man ja haben. Vor allem geht es um unsere Demokratie. Wir haben ein wunderbares Grundgesetz. Nach wie vor möchte ich in keinem anderen Land leben, als in Deutschland. Dies Alles entschlossen zu verteidigen ist aller Ehren wert. Und hierzu gehört die Stärkung unserer Verteidigungsfähigkeit, wie auch die Stärkung unserer ökonomischen Basis und des sozialen Zusammenhalts. Die Klimakrise wie auch die außenpolitische Handlungsfähigkeit, möglichst im europäischen Verbund, haben höchste Priorität.

„Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem!“ Diesen Satz schreibt Paulus den Christen seiner Zeit ins Stammbuch. Es ist eine Aufforderung, sich nicht von dunklen und letztlich destruktiven Empfindungen beherrschen zu lassen. Angst und manchmal auch Hass gehören zu unserem Menschsein dazu. Sie sollten aber nicht unser Handeln bestimmen. Was mehr denn je gefragt sein sollte, ist die Fähigkeit zum Mitgefühl, sind Güte, Weisheit und ein klarer Verstand.

Hans-Jürgen Volk

 

 

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