Stellungnahme Luth.Konvent - ref. Gemeinden 19.6.2011

Gemeinsame Erklärung

des Lutherischen Konventes und reformierter Gemeinden in den Kirchenkreisen Moers und Kleve
zur Personalplanung und Verwaltungsreform
in der Ev. Kirche im Rheinland

Die Landessynode 2011 hat beschlossen, die kirchliche Personalplanung und Verwaltung in Zukunft grundsätzlich auf der Ebene des Kirchenkreises zu steuern (s. Beschluss 53). Dazu sollen die Kirchenordnung und Kirchengesetze geändert werden.

Bereits die Möglichkeit, durch Mehrheitsbeschluss der Kreissynode alle Kirchengemeinden zu zwingen, ihre Personalhoheit und ihre Verwaltung auf den Kirchenkreis zu übertragen (s. LS 2011, Drucksache 4, S. 35ff), steht im Widerspruch zur presbyterial-synodalen Grundordnung unserer Kirche. Nach Art. 6 KO nimmt „die Kirchengemeinde den Auftrag der Kirche gemäß Artikel 1 in ihrem Bereich … in eigener Verantwortung wahr“. Die Landeskirche ist nach Art. 126, 3 KO verpflichtet, die presbyterial-synodale Ordnung zu wahren.

Es ist ein unverzichtbares Grundanliegen der Reformation, dass eine Gemeinde das Recht hat, ihren Pfarrer zu wählen und Mitarbeiter einzustellen. Wir erinnern an Martin Luthers Schrift „Dass eine christliche Gemeinde Recht und Macht habe, alle Lehre zu beurteilen und Lehrer zu berufen, ein- und abzusetzen: Grund und Ursache aus der Schrift“ (WA XI, 408-416). Ebenso hat Johannes Calvin in seiner Institutio betont: „Der Hl. Geist hat verhüten wollen, dass sich jemand, wenn es um die Regierung der Kirche geht, eine Obergewalt oder Herrschaft erträumt.“ (Inst. IV, 4, 4)
Eine Entsendung von einer höheren kirchlichen Ebene in die Gemeinde, wie sie in der katholischen Kirche praktiziert wird, ist mit dem evangelischen Kirchenverständnis unvereinbar, da sie auf eine hierarchische Kirchenleitung hinausliefe. Superintendenten und Kreissynodalvorstände würden mit einer unevangelischen Machtfülle ausgestattet; eine teure Professionalisierung der Kirchenkreisleitung wäre die absehbare Folge.

Prof. Dr. Christian Möller (Heidelberg) hat jüngst in Vorträgen vor dem Ev. Pfarrverein und dem Lutherischen Konvent an das „subsidiäre Prinzip“ erinnert, mit dem die Reformation die „Umkehrung einer hierarchisierten römischen Kirche zu einer auf die Basis vor Ort zugespitzten evangelischen Kirche“ vollzog. Die Kompetenz der Kirchengemeinde zur Wahl eines Pfarrers, zur Mitarbeiterbeschäftigung und zur Gebäude- und Finanzverwaltung gehört im  bisherigen Rahmen gesamtkirchlicher Solidarität als Leib Christi (1. Korinther 12, 26) zum Kern der presbyterial-synodalen Ordnung.

Gegenüber der verbreiteten Vorstellung, Probleme könnten am besten zentral von oben gelöst werden, ist daran festzuhalten, dass Entscheidungen auf der Gemeindeebene vor Ort sachgemäßer getroffen werden, wo die Verhältnisse bekannt sind und die Lösungen gelebt und verantwortet werden müssen. Beratung von synodaler Ebene ist dabei erwünscht und hilfreich.

Im Jahre 2006 haben im Rahmen der sog. „Prioritätendiskussion“ drei Viertel der Presbyterien und mehr als die Hälfte der Kirchenkreise eine Verlagerung der Dienst- und Beschäftigungsverhältnisse auf die Ebene der Kirchenkreise abgelehnt (s. Protokoll der Landessynode 2007, Anlage V, Drucksache 3). Die Landessynode würde sich also über ein klares Votum der Presbyterien hinwegsetzen. Hier  bestehen auch erhebliche verfassungsrechtliche Vorbehalte. Eine solch grundlegende Veränderung der Kirchenordnung bedarf jedenfalls der Zustimmung jeder einzelnen Kirchengemeinde.

In der landeskirchlichen Vorlage wird die Notwendigkeit der kreiskirchlichen Personalsteuerung mit der Sicherung hauptamtlicher Mitarbeiterstellen für Kirchenmusik, Gemeindepädagogik, Jugendarbeit und Küsterdienst begründet. Damit erhalten diese „Dienste an der Verkündigung“ jedoch einen zu hohen Stellenwert gegenüber dem grundlegenden pfarramtlichen „Dienst der Verkündigung“. Es gibt bereits positive Beispiele einer freiwilligen Kooperation zur Schaffung hauptamtlicher Stellen. Wird jedoch eine Kooperation erzwungen oder werden  Mitarbeiter in viele Kirchengemeinden entsandt, würde dies zu Unklarheiten und Streit bei der  Dienstaufsicht und -ausübung führen. Die Gemeinden sollten weiterhin die Möglichkeit haben, kleinere Stellen mit Mitarbeitern zu besetzen, die sie sich selbst ausgesucht haben, die nur für ihre Gemeinde da sind, die aus der Gemeinde stammen und die zu ihnen passen. Eine Gemeinde als lebendiger Organismus lebt davon, dass Gemeindeglieder ehrenamtlich nach ihren Gaben Aufgaben übernehmen und die Charismen (1. Kor 12) der engagierten ehren-, neben- und hauptamtlichen Mitarbeiter das Gemeindeleben zum Blühen bringen. Beides kann weder von oben angeordnet noch gesteuert werden. Funktionierende Gemeindeleitung ist auf die Nähe zu den Menschen angewiesen.

Ebenso ist die Verwaltung von Gebäuden und Finanzen Aufgabe der  Kirchengemeinden und sollte bei ihnen bleiben. Sie kann nur von ihr an höhere Ebenen delegiert werden. Allein den Gemeinden steht das Recht zu, über die Zahl der Predigtstätten und die Anzahl der Gottesdienste zu entscheiden. Alles, was vor Ort und an der Basis geregelt wird, geschieht durch ehrenamtliches Engagement schneller, besser, preisgünstiger, unbürokratischer und menschennäher als am grünen Tisch oder durch höhere Instanzen. Die steigende Zahl älterer Gemeindeglieder stellt ein wertvolles Reservoir fachlicher Kompetenzen zur Verfügung. Der Kirchenkreis hat hier höchstens eine beratende Aufgabe.

Die Vorschläge der Landessynode würden zu einer teuren Bürokratisierung und unguten Gemeindeferne führen, die Presbyterien entmündigen, den Gemeinden finanzielle Mittel entziehen und das Gesicht unserer Kirche fundamental verändern. Evangelische Christen der Rheinischen Kirche identifizieren sich primär mit ihrer Kirchengemeinde und nicht mit übergeordneten Instanzen.

Kirchengemeinden, Pfarrerinnen und Pfarrer und Evangelische Christen können sich dieser Erklärung anschließen!

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