Parallelwelten

Anmerkungen zum Integrationsproblem von Thilo S. und Anderen

Es gibt Gruppen in unserer Gesellschaft, die in Parallelwelten leben. Sie heiraten nahezu ausschließlich Partner aus ihrem Milieu, was auf Dauer auch im Blick auf das Genmaterial der Gruppe bedenklich ist. Sie leben in geschlossenen Wohngebieten mit enormem Flächenverbrauch, abgetrennt vom Rest der Bevölkerung. Ihren Nachwuchs entziehen sie konsequent dem öffentlichen Schul- und Bildungswesen. Macht man eine ökonomische Bilanz auf, so schädigen ihre Mitglieder die Volkswirtschaften der Welt regelmäßig. Zuletzt wurde im Jahr 2008 Kapital in bisher unvorstellbarem Ausmaß vernichtet, Menschen verloren Erspartes und Arbeit, der Hunger in manchen Teilen der Welt nahm an tödlicher Wirkung zu - wegen der ungebremsten Spiel- und Spekulationssucht einiger weniger. Keine Frage, dieser Bevölkerungsteil kostet wesentlich mehr, als er der Gesellschaft an Nutzen bringt - gewiss im Blick auf die Bilanz der letzten Jahre.

Thilo S. gehört zu dieser Gruppe, die sich vom Rest der Welt separiert und ein ernsthaftes Integrationsproblem darstellt. Menschen, die anders leben als sie selbst, nehmen sie vorzugsweise wahr durch die Methoden der Marktforschung, der Demoskopie und der Statistik. Dieses Fehlen an direkter Begegnung mit Andersartigen und der damit verbundene Mangel an Alltagskompetenz macht ihre strukturelle „Dummheit“ aus - was vermutlich kein genetisches, sondern eher ein kulturelles Problem ist.

Die Zugehörigen zu dieser Parallelgesellschaft lenken die Geschicke der großen Konzerne, sitzen in Aufsichtsräten und dringen hin und wieder auch erfolgreich in Ministerien und Parlamente ein. Eigentlich haben sie dass nicht nötig, denn ihre Medienmacht ist kolossal, ihnen gehören die wichtigen Fernsehsender, Verlage und Zeitungen, „Lobbyarbeit“ ist ihre Spezialität. Peinlich, dass jetzt ruchbar wurde, wie die Pharmaindustrie dem Bundesgesundheitsministerium beim Formulieren von Gesetztestexten hilfreich zur Seite steht, die angeblich der Kostendämpfung dienen sollen; sowas darf einfach nicht ruchbar werden! Da schließt eine Bundesregierung mit den AKW-Betreibern im Stillen Verträge ab, die deren Interessen langfristig gegen parlamentarischen Einfluss absichern sollen. Man kann die Wut kriegen angesichts derartiger Zustände, die Colin Crouch in seinem gleichnamigen und äußerst lesenswerten Buch als „Postdemokratie“ bezeichnet. Endlich macht mal jemand den Mund auf und nennt anscheinend die Dinge beim Namen, weist auf Versäumnisse hin und auf Missstände. Sogleich erhält er Einiges auf denselben von Westerwelle bis Künast, von Merkel bis Wulf. So benimmt man sich einfach nicht! „Judengene“ - Ekelhaft! „Kleine Kopftuchmädchen“ - geschmacklos! Thilo S., ein Märtyrer also, der jetzt auch noch seinen gut dotierten Job bei der Bundesbank verliert? Ein einsamer Streiter für unangenehme Wahrheiten, die sich sonst keiner zu sagen traut?

So stellen es jetzt etliche dar, Postillen wie die Bild-Zeitung zum Beispiel, die ähnlich dem Spiegel den Verkauf von Thilos Buch protegiert hat, ihn zwischendurch mal taktisch niederschrieb um ihn jetzt zum Helden des gesunden Volksempfindens aufzubauen. Zahlreiche Unterstützer findet der Arme, Klaus von Dohnany und Arnulf Baring stehen ihm bei, Henrik M. Broder sowieso, der unsägliche Norbert Bolz verteidigt ihn (, der, der am liebsten per Gesetz Frauen auf Kinder und Küche verpflichten will), Hans-Olaf Henkel nimmt den Thilo in Schutz und Wolfgang Clement ist eh eines Geistes mit dem Gescholtenen. Die Mehrheit der Genannten ist verbandelt mit der „Initiative neue soziale Marktwirtschaft“, also jener von Gesamtmetall initiierten mächtigen
neoliberalen Lobbyorganisation. Das Buch von Thilo S. erscheint beim DVA-Verlag, der zur Bertelsmanngruppe gehört. Man kann vermutlich davon ausgehen, dass demnächst die Bertelsmannstiftung der ratlosen Politik in der Parallelwelt entwickelte Rezepte auf die Augen drückt, um den von Thilo S. endlich angesprochenen Problemen möglichst effektiv zu begegnen.
Die Aussicht ist groß, dass Bertelsmannstiftung und INSM im Verbund mit anderen Thilos Werk als willkommenes Material verwenden, um Sozialstaatlichkeit weiter zu demontieren.

Thilo S. ist am allerwenigsten ein Märtyrer. Seine Schwierigkeiten rühren daher, dass er keck aufschreibt, was in der Parallelwelt gedacht und nur gesagt wird, wenn man unter sich ist. Dass es hochwertige Menschen und „Minderleister“ gibt, ist dort längst Allgemeingut. Empfohlen sei als Beleg das nette Buch von Julia Friedrich „Gestatten: Elite“. Die „Hochwertigen“ arbeiten kräftig an einer weiteren „Optimierung“ der Gesellschaft mit dem Ziel, das produktive Menschenmaterial für sich einzuspannen, damit Deutschland wieder an der Spitze steht und für sie selbst alles Top ist. Das Moslems und andere Randgruppen in unserer Gesellschaft genetisch-kulturell bedingt ziemlich dumm sind, hat die erhebende Kehrseite, dass eben auch die Intelligenz der „Hochwertigen“ vererbbar ist wie die großen Vermögen.

Nicht nur in bestimmten Revieren von Köln oder Duisburg gibt es Parallelwelten, die zweifellos ein Problem darstellen. Viel gefährlicher für unsere Demokratie und unser Gemeinwesen ist die Parallelwelt, zu der auch ein Thilo S. gehört. Allzu viele von ihnen halten sich für die besseren Menschen. Doch auch die gutwilligen unter ihnen schaden mit ihrer Besserwisserei der Gesellschaft mehr, als sie nutzen. Denn sie haben sich abgeschottet vom normalen Alltag. Sie können sich nicht mehr einfühlen in die Sorgen und Nöte der „kleinen Leute“. Sie wieder zu integrieren, stellt eine enorme Herausforderung dar.

„Und hätte der Liebe nicht …“ - Paulus schreibt in 1. Korinther 13, dass ohne Liebe, also ohne Wärme und Solidarität, ohne den entschlossenen Vorsatz, dass Leben anderer zu fördern, alles andere nichts wert ist.

Dies ist das eigentlich Bestürzende, ja Verstörende: diese radikale, brutale Lieblosigkeit, für die Thilo S. und die anderen Exponenten jener Parallelwelt stehen.

 

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