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Anmerkungen zur Landessynode vom Januar 2011
Von Hans-Jürgen Volk

Die Landessynode der Ev. Kirche im Rheinland hat zu Finanz- und Strukturfragen Beschlüsse gefasst, die das Innenleben der Ev. Kirche im Rheinland erheblich verändern werden. Wer sich als Mitglied eines Presbyteriums oder als engagiertes Gemeindeglied allerdings auf die Berichterstattung in der Presse oder in den offiziellen Publikationsorganen der Landeskirche verlässt, wird die Brisanz der behandelten Themen kaum wahrnehmen. In Finanzfragen wird er oder sie schlicht unzulänglich oder gar falsch informiert. Die Finanzen sind und bleiben allerdings auch in einer Kirche das zentrale Steuerungselement. Und hier prägen unredliche Kampagnen statt sachlicher Informationen die Außendarstellung.

Kirchenkreise und Gemeinden sollen umsetzen, wovon sie kaum etwas wissen

Einmal mehr stemmte die Landessynode heftige Gewichte. Verabschiedet wurde ein recht gutes Papier zur Konfirmandenarbeit, das wegweisende Aussagen zum wichtigen Thema „Inklusion“ enthält. Vor allem aber die Beschlüsse zu den Themen „Personalplanung“, NKF, Verwaltungsreform und Finanzen (hier insbesondere der Umgang mit der Versorgungskasse für PfarrerInnen und Kirchenbeamte) werden nicht nur der kirchlichen Landschaft vor Ort ein neues Gesicht geben. Gerade die Umstellung auf NKF erfordert engagierte, kompetente und von der Sache überzeugte Menschen in den Gemeinden und Kirchenkreisen, die das Ganze umsetzen.

Umso erstaunlicher ist es, dass in Chrismon-Plus-Rheinland 1/2011 oder im letzten EKiR.info für Presbyteriumsmitglieder die Landessynode 2011 mit keinem Wort erwähnt wird, sieht man einmal von einer Stellungnahme von Vizepräses Drägert im EKiR.info  ab, in der dieser recht allgemein für eine Verwaltungsreform wirbt. Offenbar hat sich in der Spitze der rheinischen Kirche das Konzern-Modell bereits durchgesetzt, sodass man die TrägerInnen des kirchlichen Lebens in den Kirchengemeinden und Kirchenkreises behandelt wie Angestellte, die nur insoweit informiert werden, wie es für die Umsetzung der von oben gewünschten Maßnahmen erforderlich ist. Selbst dies gelingt nicht, denn selbst ein mittelmäßig geführter Konzern wie die DB würde die eigenen Beschäftigten mental auf die „Herausforderungen der Zukunft“ einstimmen.

Angst vor dem offenen Diskurs

Wichtige Vertreter der rheinischen Kirche pflegen anscheinend ein Politikverständnis, das vor einiger Zeit eine einstmals stolze Volkspartei ins Desaster geführt hat. Die Agenda 2010 wurde damals in Hinterzimmern und externen Kommissionen vorbereitet, Parteitage und das Parlament zur Zustimmung genötigt, und man glaubte, das sei es nun. Das Parteivolk lief in Scharen davon, ebenso wie eine einst stabile Wählerschaft. Stuttgart 21 oder die Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken stehen aktuell für dieses Politikverständnis, das seine Legitimation aus korrekten Verfahren beziehen will und den Wunsch nach Partizipation negiert. Einst wurden die Presbyterien und Kreissynoden der rheinischen Kirche im 2-Jahresrythmus zu Vorlagen der Kirchenleitung um Stellungnahme gebeten. Seit der Landessynode 2007 fielen Strukturentscheidungen von erheblichem Gewicht. Für ihre Umsetzung ist das aktive Engagement der Basis zwingend erforderlich. Doch das Verlangen nach zentraler Steuerung dieses Prozesses verdrängt die Notwendigkeit, Presbyterien und Kreissynoden durch aktive Beteiligung mit ins Boot zu holen. Die Angst vor dem offenen Diskurs und der Möglichkeit, dass das gewünschte Ergebnis durch Einmischung von unten verfehlt wird, ist übermächtig.

Daran ändert auch die kleine Konzession beim Thema „Personalplanung“ wenig. Gewiss, die Kirchenkreise und Gemeinden sollen gehört werden - und zwar in „Regionalkonferenzen“, was immer das sein mag.

Personalplanung: Stellenerosion findet statt!

Gerade dieses Thema ist allerdings ein Beispiel dafür, dass im Leben und erst recht in der rheinischen Kirche die Dinge oft nicht auf einen einfachen Nenner zu bringen sind. Freude ist allein deswegen angebracht, da in der Vorlage an die Landessynode ein fundierter theologischer Zugang formuliert wurde, bevor man nach berechtigten Problemanzeigen strukturelle Lösungsansätze entwickelte. Unverständlicherweise wurde die Brisanz unterschätzt, die die im Papier enthaltenen Modelle bieten. Die Verlagerung der Kirchensteuerhoheit auf die Kirchenkreisebene oder die Anbindung der Personalplanung an die Entwicklung des Pfarrdienstes, was faktisch die gesamte Personalplanung der landeskirchlichen Ebene unterstellt, sind Modellvorschläge, die erhebliches Erregungspotential enthalten und über deren Sinnhaftigkeit man streiten kann. Dass auf der anderen Seite eine Stellerosion in erheblichem Umfang stattfindet, der man durch Kooperation begegnen muss, ist offenkundig. Eine Kirche, die ihre sozialethische Glaubwürdigkeit behalten will, muss bestrebt sein, ihren Beschäftigten „gute Arbeit“ anzubieten. Gerade der Pfarrdienst ist allerdings ein Beispiel dafür, dass die Frage der Planungsebene das Problem alleine mitnichten löst. Die Personalplanung für den Pfarrdienst ist auf der Ebene der Landeskirche angesiedelt. Die von der Kirchenleitung im Mai 2008 beschlossenen Pfarrstellenverteilungsrichtlinien enthalten allerdings Mechanismen, die in einer Vielzahl von Fällen zu einer Reduktion von einstmals vollen Stellen auf solche im Umfang von 75% oder gar 50% geführt haben. Mit dieser Problemanzeige soll keineswegs bestritten werden, dass die Stellenerosion bei privat-rechtlichen Beschäftigten zum Teil wesentlich dramatischer Dimensionen erreicht hat, als beim Pfarrdienst. Hier besteht eine Not, die aus sich heraus Zeitdruck erzeugt.

Personalplanung auf welcher Ebene auch immer gleitet allerdings in eine von faulen Kompromissen begleitete Mangelverwaltung ab, wenn eine fragwürdige Finanzpolitik betrieben wird.  Wenn massiv Finanzmittel in Richtung Versorgungskasse und NKF-Implementierung abgezogen werden, hilft selbst die intelligenteste Personalplanung auf Kirchenkreisebene nichts. Die Gefahr, dass unter diesen Voraussetzungen unsere Kirche eine weitere Stellenerosion stattfindet und sich noch  engagierte Gemeindeglieder frustriert zurückziehen ist erheblich. Ringt man vornehmlich nur noch auf Superintendentenkonferenzen, in landeskirchlichen Ausschüssen oder in der Kirchenleitung hinter weitgehend verschlossenen Türen um die richtigen Wege, geht allmählich den „Gestaltern“ das Gespür dafür abhanden, welche Befindlichkeit an der Basis vorherrschend ist.

Illusionskünstler

Statt einen offenen, rationalen Diskurs zuzulassen, besteht gerade bei Finanzthemen die Neigung, Menschen durch „einfache Formeln“ und die Wahrheit verkürzende Darstellungen zu manipulieren. Als Illusionskünstler taten sich diesmal vor allem Vizepräses Drägert und Oberkirchenrat Immel hervor. Drägert offenbarte von Seiten der EKD gestreutes Geheimwissen, dass er dem Finanzdezernat weitergab. Das Ergebnis ist wahrhaft erstaunlich, im Jahr 2022 wird die Ev. Kirche im Rheinland ein Kirchensteueraufkommen von 505 Mio. € haben. Betrachtete man die Berg- und Talfahrt der kirchensteuereinnahmen im vergangenen Jahrzehnt, kann man sich über den Alarmismus, der mit dieser Zahl ausgelöst werden sollte, nur wundern. Drägert und Immel wissen präzise, wie es um die Finanzkraft der rheinischen Kirche 2022 oder 2030 wahrscheinlich auch 2050 aussehen wird. Dass sie hochkompetente Fachleute sind, war bekannt, nun wird immer deutlicher, von welch gewaltiger Potenz ihre übernatürlichen Fähigkeiten sind.

Vor allem Immel entwickelt sich immer mehr zum David Copperfield der rheinischen Kirche. Er kann nicht nur in die Zukunft sehen, er besitzt außerdem die Fähigkeit das Geld der Gemeinden, die formal ja immer noch die Kirchensteuerhoheit besitzen, spurlos verschwinden zu lassen - im Kapitalstock der Versorgungskasse und für die Implementierung des NKF-Projekts. Trickreich, mit großem Charisma und mit Hilfe bunter Schaubilder legt er einer vom NKF-Thema ziemlich erschöpften Synode überzeugend dar, das liege in Wirklichkeit am demographischen Wandel.

Immer wieder fanden sich in Pressemitteilungen der vergangen Tage Formulierung wie diese: „Auf Grund der durch Mitgliederverlust und demographischen Wandel sinkenden Kirchensteuereinnahmen sind weitere Sparmaßnahmen geplant.“ Der Grundsatzbeschluss zum Thema „Personalplanung“ wird in einer EKiR-Pressemeldung wie folgt erläutert: „Hintergrund für den Grundsatzbeschluss, zu dem bis 2012 Details erarbeitet werden sollen, ist der demografische Wandel, der zu einem Rückgang von Mitgliedern und Geldern führt.“ Sätze wie diese sind insofern wahrheitswidrig, weil der demographische Wandel als alleinige Ursache für den Verlust an Finanzkraft dargestellt wird, den es übrigens in den letzten Jahren unterm Strich gar nicht gab. Hier ein Blick auf die Fakten:

  2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011
Nettokirchensteuer-
Aufkommen (Verteilbetrag)
in Euro
492 Mio. 499 Mio. 562 Mio. 599 Mio. 584,8 Mio. 558,00 Mio.
(Schätzung)
564,28 Mio.
(Schätzung)

 

Zwischen 2005 und 2011 steigt hiernach das Nettokirchensteueraufkommen trotz Mitgliederverlust um satte 72,28 Mio. €. Hervorzuheben ist, dass es sich hierbei um Zahlen aus dem Hause Immel handelt, in dem traditionell zukünftige Einnahmen ausgesprochen vorsichtig geschätzt werden. Es ist bedrückend und beschämend, mit welcher Unbeirrbarkeit und Konsequenz auch in der rheinischen Kirche irreführende Kampagnen gefahren werden, um kirchenpolitische Effekte zu erzielen.

Hoffnung

Gewiss gab es auch Vieles, über das man sich freuen kann. Das gute Papier zur Konfirmandenarbeit wurde bereits erwähnt. Überzeugender wäre es allerdings, den Gedanken der Partizipation nicht nur bei Jugendlichen anzuwenden, sondern auch zu einer echten Beteiligungskultur bei strukturellen und finanzrelevanten Entscheidungsfindungen zurückzukehren. Die Leitvorstellung einer „Kirche mit den Armen“, von Schneider und Bosse-Huber eingeführt, scheint darauf hinzudeuten, dass man den Gedanken der „Inklusion“ in seiner gesellschaftlichen Relevanz aktivieren möchte. Dem steht allerdings entgegen, dass man den KDA-Bereich stellenmäßig abgeschafft hat. Ausgesprochen sympathisch war, wie der Kirchenkreis Jülich beim Thema NKF trotz der absehbaren Niederlage eigene Positionen gegen den synodalen Mainstream vertrat. Die Anti-NKF-Aktion der Kirchengemeinde Düren zeigte auf, welche Möglichkeiten auch in Zukunft bestehen, um langfristig auf andere Mehrheiten hinzuarbeiten. Im SWR-Regionalfernsehen erhielt diese gut gemachte Aktion in einem Beitrag über die Landessynode fast ebensoviel Sendeplatz, wie die Berichterstattung über die Inhalte der Synode.

Es gibt die berechtigte Hoffnung, dass die rheinische Kirche auf Dauer genügend Abwehrkräfte gegen dem neoliberalen Infekt entwickelt und sich der Selbstökonomisierung durch „Steuerung von unten“ erfolgreich widersetzten kann.

Hoffnung macht auch, dass die Zugriffszahlen der „Zwischenrufe“ und von „Transparent“ in der letzten Zeit erheblich gestiegen sind. Mindestens solange unredliche Kampagnen gefahren werden und an sich respektable Verantwortungsträger unserer Kirche teilweise gegen ihre Überzeugung einfache Formeln nachplappern, sind widerständige Kommentare und rationale Analysen ebenso wie satirische Einlagen bitter nötig.
Hoffnung macht nicht zuletzt folgender Tatbestand:

Wer sich heute im Mainstream treiben lässt, ist morgen schon von gestern!

 

 

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