Drohung mit Zwangsmaßnahmen

Veranstaltung im Kirchenkreis Moers zur Verwaltungsstrukturreform
Von Hans-Jürgen Volk

Der vor gut einem Jahr mit großen Hoffnungen neugewählten Kirchenleitung der Ev. Kirche im Rheinland fehlt offenbar der Wille und die Entschlossenheit, Fehlentwicklungen der Vergangenheit zu korrigieren. Eisern hält man an der Umsetzung so fragwürdiger Projekte wie dem neuen kirchlichen Finanzwesen (NKF) oder der Verwaltungsstrukturreform fest, obwohl die negativen Folgen für unsere Kirche immer deutlicher zu Tage treten. Bei einer Veranstaltung im Kirchenkreis Moers zur Verwaltungsstrukturreform vom 20. Mai 2014, die in Vorbereitung einer am darauffolgenden Wochenende stattfindenden Kreissynode durchgeführt wurde, standen plötzlich Drohungen im Raum, die jeden offenen Diskurs abwürgen. Landeskirchenrätin Antje Hieronimus bedrohte Leitungsgremien, die nicht der der Umsetzung der Verwaltungsstrukturreform mitarbeiten würden, mit dem Disziplinarrecht und deren Auflösung.

Wer handelt eigentlich fortgesetzt rechtswidrig?

Gewiss, die Kirchenordnung sieht schon immer für Leitungsgremien, die fortgesetzt rechtswidrig handeln, Sanktionen vor. Insofern sind die Ausführungen von Hieronimus nicht weiter aufregend. Dennoch kann man getrost davon ausgehen, dass ein Mitglied des Kollegiums mit ähnlichen Äußerungen in den 90-er Jahren kaum auf Verständnis gestoßen wäre. Denn damals gab es noch einen in der rheinischen Kirche weitverbreiteten Respekt gegenüber Leitungsgremien der unteren Ebenen vor allem auch dann, wenn diese nachvollziehbare theologische Argumente anführten.

Die entscheidende Frage ist doch, wer handelt hier eigentlich fortgesetzt rechtswidrig? Hier haben die Kirchengemeinden Alpen und Rheinberg ein Rechtsgutachten zur Verwaltungsstrukturreform in Auftrag gegeben. Dieses Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass begründete Zweifel an der Konformität dieses Projekts mit wesentlichen Grundlagen unserer Kirchenordnung bestehen. Die Kirchenordnung wurde zwar in einigen Punkten durch Beschlüsse der Landessynode verändert, um sie den Anforderungen der im Wesentlichen durch das Beratungsinstitut Kienbaum entwickelte Verwaltungsstrukturreform anzupassen. Das Gutachten bestreitet allerdings ein Recht der Landessynode, den Gemeinden wesentliche Kompetenzen zu entziehen. Somit müssten sich die Äußerungen von Hieronimus eigentlich gegen die Leitungsorgane der Landeskirche richten.

Das Problem ist nur: Kirchenleitung und Landessynode beanspruchen zunehmen die finale Deutungshoheit über theologisch und rechtlich strittige Fragen. Niemand geringeres als der leider viel zu früh verstorbene Präses der EKiR Peter Beier stellte vor etlichen Jahren die Idee einer unabhängigen Verfassungsgerichtsbarkeit für die EKiR in den Raum. Da kann man jetzt spekulieren, welche der zahlreichen insbesondere seit 2006 initiierten Umbaumaßnahmen von einem solchen Gericht kassiert worden wären. Die Verwaltungsstrukturreform würde, da sie die Grundsubstanz unserer Kirchenordnung berührt und verändert, mutmaßlich dazu gehören. Doch aktuell reden und handeln Akteure wie Hieronimus, die sicher aus ihrer Sicht nur das Beste für unsere Kirche wollen, faktisch nach dem Motto: Wir haben die Macht, also ist das Recht auf unserer Seite.

Die Verwaltungsstrukturreform schadet unserer Kirche!

Die Situation im Kirchenkreis Moers macht deutlich, wie sehr eine derartige Haltung unserer Kirche schadet. 5 Kirchengemeinden haben die Ansicht, gestützt auf das Rechtsgutachten, eine eigene Verwaltung unabhängig von einer zentralen Verwaltung des Kirchenkreises zu erreichten. Nun könnte man eigentlich souverän reagieren und sagen: dann macht ihr mal! Der Kirchenkreis Moers mit seinen fast 28 Gemeinden und deutlich über 100.000 Gemeindegliedern ist groß genug, dass er auch ohne diese 5 Gemeinden eine zentrale Verwaltung nach der reinen Kienbaumlehre hinbekommen würde. Ein derartiger Wettbewerb unterschiedlicher Konzepte und Philosophien würde unserer Kirche gut tun. Zumindest ein ehrlicher Dialog mit dem Ziel, die Anliegen der 5 Kirchengemeinden zu berücksichtigen bei der Suche nach einer Kompromisslösung wäre geboten. Stattdessen werden Leitungsorgane mit dem Disziplinarrecht bedroht. Hält man sich dann noch vor Augen, dass die Dissidenten im Kirchenkreis Moers eben nicht nur rechtliche Aspekte, sondern fundierte, auf Barmen gestützte theologische Argumente vorbringen, wird es vollends unerträglich. Zu Tage tritt, das engagierten, kompetenten und sicher auch aus KL-Perspektive unbequem streitbaren Frauen und Männern unserer Kirche eine bestimmte, höchst oberflächliche Interpretation von Barmen aufgenötigt werden soll. Dies geht in einer evangelischen Kirche gar nicht!

Man sollte doch einmal über den Tag hinausdenken! Was ist das Ergebnis, wenn jetzt mit aller Gewalt kirchenleitender Prügelpädagogik der Widerstand der 5 Gemeinden gebrochen wird und diese sich letztlich fügen in eine teure Einheitslösung al a Kienbaum? Menschen werden sich abwenden, auf die unsere Kirche nicht verzichten kann. Verletzungen werden die Atmosphäre in diesem Kirchenkreis über Jahre hinaus belasten.

Die Verwaltungsstrukturreform wurde ebenso wie das NKF einst begründet mit dem Argument, man müsse sparen. Tatsächlich verursachen beide Baustellen enorme Mehrkosten, die sich in ihren Steigerungsraten durchaus mit denen von zweifelhaften Großprojekten wie dem Berliner Großflughafen BER oder der Hamburger Elbphilharmonie messen können. Bereits im vergangenen Jahr wurden in zahlreichen Kirchenkreisen die Verwaltungen personell verstärkt, wohingegen die Mittel für die Arbeit mit Menschen reduziert wurden. Eine Kirche, die schon jetzt ein knappes 1/4 ihrer Einnahmen den Finanzmärkten zu Absicherung zukünftiger Versorgungsansprüche anvertraut und dies noch deutlich steigern will, die zudem ihre Bürokratie kräftig ausbaut und zeitgleich Pfarrdienst, Jugendarbeit, Kirchenmusik oder auch die Akademiearbeit fiskalisch austrocknen lässt, ist auf dem falschen Weg.

Der beschädigte Grundsatz der Einmütigkeit

Ein wichtiges Element der Kirchenordnung ist das biblisch-theologisch begründete Prinzip der Einmütigkeit. Den Hauptakteuren der Umbauprozesse in der rheinischen Kirche gefällt es seit Jahren, diesen Grundsatz formaljuristisch zu interpretieren in dem Sinne, dass ihm Genüge getan sei, wenn Leitungsgremien Entscheidungen mit möglichst großen Mehrheiten fällen. Als Beispiel sei an die Vorgänge in 2011 bis zur Landessynode im Januar 2012 erinnert: Damals gab es erhebliche Widerstände gegenüber einer Vorlage zur Personalplanung und gegenüber der Verwaltungsstrukturreform. Gut ein Drittel aller rheinischen Kirchenkreise formulierten kritische Anträge an die Landessynode zu beiden Projekten, der Mehrzahl von ihnen forderte ein Proponendum der Kirchenleitung mit der nachfolgenden Möglichkeit von Presbyterien und Kreissynoden zur Stellungnahme. Auf diese massive Bewegung von der Basis reagierte die Landessynode, damals dominiert von Hardlinern im "System der kollegialen Leitung", mit "einmütiger" Ablehnung. Mit großer Mehrheit wurden die umstrittenen Projekte auf den Weg gebracht. Einen ähnlichen Vorgang gab es bereits bei der Landessynode 2011, als gegenüber ebenfalls erheblichen Widerständen und Bedenken "einmütig" die Weiterführung des NKF beschlossen wurde.

Dem schlechten Beispiel der Landessynode folgte die Kreissynode des Kirchenkreises Moers: mit deutlicher Mehrheit wurde das Anliegen der Dissidenten abgelehnt und der Weg bereitet zu einer zentralen Verwaltung nach landeskirchlichen Vorgaben. Streiten kann man übrigens darüber, ob hier wenigstens formal der Grundsatz der Einmütigkeit beachtet wurde. Es gab immerhin 34 Gegenstimmen und Enthaltungen, was mehr als ein Viertel der Synodalen ausmacht.

Bedenklicher ist allerdings, dass derartige Strategien, die bewusst Widerstände brechen und Mitchristen Konzepte gegen deren praktische und theologische Einsichten aufnötigen wollen, den biblischen Grundsatz der Einmütigkeit geradezu in sein Gegenteil verkehren.
 

 

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