Einfach nur traurig

Zum Rücktritt von Margot Käßmann

Von Hans-Jürgen Volk und Gudrun Heuer

„Die muss bleiben!“ sagt mir ein gestandener Presbyter. Da stand ihr Rücktritt noch nicht fest. Hoffnungen waren konzentriert auf die Person von Margot Käßmann. Sie erreichte die Menschen mit ihrer authentischen Art, sprach vielen aus dem Herzen gerade auch dann, wenn sie sich kritisch und mutig dem Mainstream entgegenstellte, wie bei ihrer Neujahrspredigt. Mit ihren biographischen Brüchen - Ehescheidung und Krebserkrankung - war sie ein unschlagbares Symbol eines evangelischen Glaubens, dem jede Bigotterie fremd ist.

Nun ist die Landesbischöfin und EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann Geschichte - einfach nur traurig.

Keine Frage, man sollte sich nicht ans Steuer setzen, wenn man über 1,5 Promille Alkohol im Blut hat. Das ist nicht zu rechtfertigen - für niemanden. Und sie hat es auch nicht getan, hat ihr eigenes Verhalten als unentschuldbar qualifiziert und gesagt, dass sie erschrocken über sich selbst gewesen sei. Hier war sie wieder, die Käßmannsche Klarheit auch in dieser schwierigen Situation. Keine Spur von Selbstrechtfertigung!

Man fragt sich, ob dieser Rücktritt verhältnismäßig ist im Vergleich zu dem, was andere sich haben zu Schulden kommen lassen ohne Folgen für ihre Karriere.

Nur ein paar Beispiele: ein ehemaliger Bundeskanzler verschweigt bis heute die Namen von Geldgebern zugunsten seiner Partei, obwohl dies offenkundig gegen Gesetz und Recht verstößt. Ein ehemaliger Wirtschaftsminister scherte sich überhaupt nicht um eine Vorstrafe wegen Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit einer Parteispendenaffäre. Ebenso wenig wurden führende Wirtschaftsvertreter ausgebremst durch Korruptions- und Steuerdelikte. Ein katholischer Bischof kann ungestraft die Opfer sexuellen Missbrauch unter kirchlicher Obhut verhöhnen, indem er behauptet, die sexuelle Revolution der 68-ger sei Schuld an allem.

Doch Margot Käßmann tritt zurück - weil sie eben wenig gemein hat mit Männern wie Helmut Kohl, Graf Lambsdorff oder einem Bischof Mixa. Sie steht zu dem, was sie angerichtet hat. Und sie weiß, wäre sie im Amt geblieben, hätte sie das in ihrer Wirkung geschwächt. Vorerst jedenfalls.

Andere standen nicht so zu ihr, wie es nötig gewesen wäre, ihr ein Verbleiben im Amt zu ermöglichen. Merkwürdig genug war bereits jene nur scheinbar verständnisvolle Erklärung von Friedrich Schorlemmer, ihr Alkoholkonsum sei die Folge des Stresses, der mit dem Amt der EKDRatsvorsitzenden
verbunden ist. Von konservativer kirchlicher Seite aus kamen Vertrauenserklärungen, die eigentlich eine verbrämte Aufforderung zum Rücktritt waren. Man
vertraue darauf, dass sie die richtigen Schlüsse ziehen werden. Nicht weit davon entfernt war die Erklärung des Rates der EKD vom 23. Februar 2010: „Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hat … seiner Vorsitzenden, Landesbischöfin Dr. Margot Käßmann, einmütig sein Vertrauen bekundet. Auf der regulären Sitzung, die noch in dieser Woche stattfindet, soll eine abschließende Bewertung vorgenommen werden. In ungeteiltem Vertrauen überlässt der Rat seiner Vorsitzenden die Entscheidung über den Weg, der dann gemeinsam eingeschlagen werden soll.“
Das klingt nach Vertrauen, ist aber in der Schlussformulierung nicht weit entfernt von den Krokodilstränen einiger Konservativer, denen Margot Käßmann schon immer ein Dorn im Auge war.

„Frauen haben es schwerer!“ - so das Votum einer engagierten Frau, der ich den Rücktritt von Margot Kaßmann bei einem Telefonat mitteile. Da ist was dran.
Margot Käßmann bleibt gerade nach ihrem Rücktritt ein Symbol evangelischen Glaubens. Man kann nur hoffen, dass sie sich weiterhin einbringt. Wir brauchen ihre Stimme und ihre Mut machende Art - gerade auch im Umgang mit Lebenskrisen und auch mit eigenem Versagen.

 

 

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