In eigener Sache

Von Hans-Jürgen Volk

Manchem wird aufgefallen sein, dass sich in der vergangenen Monaten auf den "Zwischenrufen" nicht viel getan hat. Der Hintergrund ist meine Erkrankung, die in ihrem Vorlauf bereits seit dem Jahresanfang meinen Aktionsradius eingeschränkt hat. Mein letzter Beitrag stammt vom Mai und trägt bezeichnenderweise den Titel "SOS Pfarrdienst". Hier gehe ich auf den besorgniserregenden  Gesundheitszustand mancher Kolleginnen ein und verweise auf die wachsende Zahl an Burn-out Fällen. Dass ich wenige Monate später selbst Betroffener bin, hatte ich damals auch nicht im Ansatz im Blick.

Im nachstehenden Beitrag unter der Überschrift "Reset" schildere ich meine persönliche Situation - wobei ich bewusst bei mir selber geblieben bin und externe Faktoren ausgeklammert habe. Ich möchte offensiv mit meiner Situation umgehen und anderen Mut machen, die Ähnliches erlebt haben oder noch erleben.
Entschuldigen möchte ich mich dafür, dass ich seit dem Sommer kaum mehr in der Lage war, Mails zu beantworten und bei mir eingehende Artikel zu bearbeiten und zu veröffentlichen.

Ganz herzlich bedanken möchte ich mich bei den Leserinnen und Lesern der "Zwischenrufe". Es bewegt mich, dass im Oktober insgesamt über 5.700 Besucherinnen und Besucher zu verzeichnen waren, mehr als 180 am Tag. Für einen Blog mit derart speziellen Themen finde ich das beachtlich. Dieser positive Trend setzt sich im November fort.
Zu kommentieren gäbe es genug, im Blick auf EKD und EKiR und auch im Blick auf die politische Situation. Vielleicht bin ich demnächst wieder dazu in der Lage. Bis dahin verweise ich auf http://wort-meldungen.de/ und auf kirchenbunt.de. Wer mag, kann sich meine Facebook-Seite anschauen. Dort gibt es kurzer Beiträge von mir und vor allem zahlreiche Verlinkungen zu Artikeln, die mir interessant erscheinen.

Noch eins: möglichweise haben etliche Leute vergeblich versucht, per E-Mail mit mir in Kontakt zu treten. Auf den "Zwischenrufen" wird unter "Impressum" und "Kontakt" eine alternative Adresse angegeben, über die eine Kontaktaufnahme wieder möglich ist.

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"Reset"

Es fällt mir schwer, diese Zeilen zu verfassen. Seit Mitte September bin ich krankgeschrieben. Immer noch kann ich es kaum fassen, dass mir dies widerfährt. Bis vor einiger Zeit habe ich mich für belastbar und unverwüstlich gehalten und gedacht, mein Leben befände sich insgesamt in einem guten Gleichgewicht.

Jedem, der an einem PC arbeitet, dürfte die Situation vertraut sein: man hat zu viele Anwendungen laufen, schließlich tut sich gar nichts mehr und man muss die Reset-Taste drücken. Datenverlust ist die Folge. So ähnlich ging es mir vor Wochen, seit langem zu viele Pläne und Projekte, das Eis wurde immer dünner. Aufgaben, die ich normalerweise mit Freude und rasch erledige, nahmen unangemessen viel Zeit in Anspruch, Zusagen konnten nicht eingehalten werden, der Berg an Unerledigtem wurde immer größer. Schlafstörungen waren die Folge. Hinzu kamen durch starke Blutdruckschwankungen ausgelöste Sehstörungen.

… Was dann folgte war eine Phase der Erschöpfung, die in die tiefsten Schichten meiner Physis und meiner Psyche reichte. Auch nach Wochen ohne dienstliche Verpflichtungen hielt sie an. Keine schöne Erfahrung, der eigene Körper aber auch die eigene Seele sind einem fremd.

Und dennoch bin ich dankbar für diese Zeit. Denn sie gibt mir die Möglichkeit, mein Leben neu auszurichten und frühere Prioritäten zu hinterfragen. Unendlich dankbar ich für etliche Gespräche mit mir nahestehenden Menschen. Wertvoll ist für mich der Austausch mit denen, die Ähnliches wie ich erlebt haben. Wohltuend und aufbauend ist für mich vor allem die Erfahrung, dass es nicht Wenige in meiner Nähe gibt, die mir herzlich zugewandt sind, obwohl ich im Moment so gar nichts bringe und nichts zu leisten im Stande bin. Dankbar bin ich vor allem auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Kirchengemeinde Hilgenroth, die jetzt den Laden schmeißen. Danken möchte ich den Kolleginnen und Kollegen, die trotz großer eigener Belastung Vertretungsdienste übernehmen.

Ich stelle dies öffentlich dar, einmal um Gerüchten vorzubeugen. Ich habe wahrgenommen, dass es diese wohl reichlich gibt. Nach wie vor liebe ich meinen Beruf als Pfarrer und möchte so bald dies möglich ist, wieder tätig werden. Dann bin ich ja auch Behindertenseelsorger. Ich vertrete mit Leidenschaft das Konzept der „Inklusion“. Ich halte es für ungut, nun eigene Schwäche zu verbergen, auch wenn der offene Umgang hiermit nicht risikolos ist. Klar, wir leben in einer Wettbewerbs- und Konkurrenzgesellschaft. Doch den überwiegenden Teil unseres Lebens sind wir auf die Fürsorge und die Solidarität Anderer angewiesen – als Kinder und Jugendliche, wenn wir krank sind und wenn wir älter werden.
Es geht mir besser, keine Frage. Aber noch bin ich nicht „der Alte“. Ich will es auch gar nicht sein, sondern bin vielmehr dabei, neue Wege für mich auszukundschaften.
Was mir Halt gibt und mir Zuversicht schenkt: Die Herzlichkeit und Solidarität von Menschen, der vertrauensvolle Austausch, die unerwartete Umarmung ….
Vor allem der Glauben, dass es da eine Kraft gibt, die mich trägt und liebt, ohne jede Einschränkung.

„Der Herr wird dich immerdar führen und dich sättigen in der Dürre.“ – So lautete die Tageslosung vom 3. November, eine Zusage, die mir unter die Haut ging.

 

 

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